Was ist Rassismus?

Will man sich dem Begriff „Rassismus“ annähern, geht es zunächst um zwei Fragen: Was unterscheidet eigentlich die Konstrukte „Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit“ von Rassismus? Wie funktioniert die Spaltung zwischen „uns“ und „ihnen“?

Mark Terkessidis diskutiert Prozesse der Rassifizierung und beschreibt die Konstruktion rassistischen Wissens sowie verschiedene Ausgrenzungsmechanismen. Rassismus ist stets durch das Zusammenspiel von Ausgrenzungspraxen und Rassifizierung charakterisiert. Gleichzeitig ist Rassismus ein „Apparat“, in dem die Praxis der Unterdrückung mit Prozessen der Wissensbildung einhergeht, welche die Unterdrückung erklären und legitimieren sollen. Rassismus ist eines der großen Ungleichheitsverhältnisse der Moderne. 

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Zum Autor

Dr. Mark Terkessidis ist freier Autor und publiziert zu den Themen (Populär-)Kultur, Migration, Rassismus und gesellschaftlicher Wandel. 2019 erschien sein Buch „Wessen Erinnerung zählt? Koloniale Vergangenheit und Rassismus heute“.

In: Rassismus – Geschichte, Spuren, Kontinuitäten

Bürger & Staat, Heft 1/2021, S. 12–18

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Geringes Wissen über Rassismus

Die großen Demonstrationen anlässlich des Todes von George Floyd durch Polizeigewalt in Minneapolis im Sommer 2020 haben gezeigt, dass das Thema Rassismus vor allem jüngeren Menschen regelrecht auf den Nägeln brennt. Das hatte sich mit der regen Beteiligung am Hashtag „#MeTwo“, in dem über Diskriminierungserfahrungen berichtet wurde, sowie den Reaktionen auf die Anschläge von Halle und Hanau bereits angedeutet.

Während Rassismus geradezu kometenhaften zu einem der Themen des Jahres 2020 aufstieg, bleibt das Wissen über das Thema weiterhin relativ gering. Während heftig diskutiert wird, ist im Großen und Ganzen weder allgemein bekannt (und anerkannt), was überhaupt als Rassismus zu betrachten wäre, geschweige denn, wie das Phänomen erklärt werden kann. Das Spektrum reicht von jenen, die reflexhaft behaupten, in den USA gebe es so etwas schon, in Deutschland aber nicht, bis hin zu jenen, die Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe oder Herkunft fast als ausschließliches Strukturierungsmoment von Gesellschaft betrachten.

Diese Verwirrung ist der Debatte nicht unbedingt zuträglich, hat aber sowohl mit der Komplexität des Gegenstandes zu tun als auch mit der Geschichte des Rassismus sowie der Art der Behandlung des Themas in Deutschland.

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„Feindlichkeit“ oder Rassismus?

Ein dauerhaftes Interesse an diesem Thema hat hierzulande lange gefehlt. Die Wahrnehmung und auch die Forschung verlief in Konjunkturen und war hochgradig abhängig davon, dass „etwas“ passierte: Gewalt zum einen in Form von direkten Angriffen auf Personen nichtdeutscher Herkunft, seien es Geflüchtete, BPoC (Black and People of Color) oder Personen mit Migrationshintergrund; zum anderen Rechtsextremismus in Form von Wahlerfolgen, Demonstrationen oder dem medienwirksamen Auftreten einzelner Personen.


Fremdenfeindlichkeit
Alltägliche Ausgrenzungsphänomene wie Diskriminierungen in Schulen, Verwaltungen oder Krankenhäusern wurden jahrzehntelang gar nicht unter Rassismus geführt – dafür gab es Sonderbezeichnungen wie „Ausländer- oder Fremdenfeindlichkeit“. Das hatte auch mit der deutschen Geschichte zu tun.

Vor dem Hintergrund des Weltbildes und der Verbrechen des „Dritten Reiches“, die durch und durch von „Rassen“-Ideen geprägt waren, erschienen die Vorkommnisse in der Bundesrepublik weniger gravierend und anders motiviert.

Von Rassismus zu sprechen, stellte eine Verbindung mit dieser Vergangenheit her, und diese Verbindung wurde aktiv oder passiv abgewehrt. 


Es sind keine Fremden
Allerdings war die Rede von „Ausländer- oder Fremdenfeindlichkeit“ ideologisch. Offenbar adressierten diese Konstrukte die „Feindlichkeit“ einer Bevölkerungsgruppe („Deutsche“) gegen eine andere, nicht zugehörige Gruppe („Ausländer“, „Fremde“). Dieses Modell war aber bereits in den 1970ern zweifelhaft: Nicht nur hatten die „Ausländer“ zumeist ihren Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik, sondern auch mit deren „Fremdheit“ hatten die meisten Personen deutscher Herkunft bereits reichlich Erfahrungen sammeln können. 1998 schließlich erkannte erstmals eine Bundesregierung an, es habe ein „unumkehrbarer Prozess der Zuwanderung“ stattgefunden.


Deutschland ist eine vielfältige Gesellschaft
Im Jahr 2000 wurde das Staatsangehörigkeitsrecht substanziell verändert: Durch die Abschaffung des „ius sanguinis“, welches die Zugehörigkeit buchstäblich an das deutsche Blut koppelte, wurde schließlich die Anerkennung von Deutschen nichtdeutscher Herkunft möglich. Dadurch wurde Deutschland endgültig als eine fundamental vielheitliche Gesellschaft neu definiert.

Was beschreibt der Begriff „Rassismus" heute?

Der Begriff Rassismus adressiert nun die undemokratischen Spaltungen zwischen „uns“ und „ihnen“ – und zwar innerhalb einer Bevölkerung: Die Spaltungen umfassen Benachteiligungen, Angriffe, Ausgrenzungen, Beleidigungen, also große, aber auch sehr kleine Formen eines Prozesses, der diese Spaltung ständig herbeiführt. 

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Eine Spaltung zwischen „uns“ und „ihnen“

Diesen Prozess der Trennung grundsätzlich zu verstehen, ist ganz entscheidend, um Rassismus begreifen zu können: Es geht nicht um die „Feindlichkeit“ einer Bevölkerungsgruppe gegen eine andere, sondern um den Vorgang der Spaltung innerhalb einer Bevölkerung. 

Die Konstruktion von Gruppen ist für die Definition von Rassismus essenziell und unterscheidet das Konzept Rassismus von den Vorstellungen von „Feindlichkeit“ einer Gruppe gegen eine andere.

„Ist das schon Rassismus?" Ein Beispiel

Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen. Ich erinnere mich daran, wie ich 2013 von einer Pressagentur zum Thema Rassismus angerufen und interviewt wurde. Es ging um einen Streit in der FDP, um Bemerkungen des FDP-Fraktionschefs im Bundestag, Rainer Brüderle, über seinen Parteikollegen Philipp Rösler. Brüderle hatte die vietnamesische Herkunft Röslers ins Spiel gebracht, indem er bemerkte: „Glaubwürdigkeit gewinnt man, indem man nicht wie Bambusrohre hin und her schwingt, sondern steht wie eine Eiche. Deswegen ist die Eiche hier heimisch und nicht das Bambusrohr.“

Nun war die Frage, ob das als Rassismus bezeichnet werden könne. Zu jenem Zeitpunkt war Philipp Rösler der deutsche Vizekanzler, und der deutsche Vizekanzler konnte per se weder Ausländer noch Fremder sein. Wie also sollte das Phänomen anders bezeichnet werden? Brüderle konstruierte zunächst eine symbolische Spaltung zwischen „uns“ und „ihnen“ („Eiche“ versus „Bambusrohre“), um Rösler in einem zweiten Schritt quasi auszubürgern („nicht heimisch“). 

Rösler gehörte keineswegs einer anderen, real existierenden Gruppe an, sondern diese Gruppe wurde von Brüderle symbolisch ab- und dann ausgegrenzt.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF)
Auch Weiterentwicklungen wie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (GMF) werden dem beschriebenen Prozess nicht gerecht. (Heitmeyer 2005: 13–34.) GMF wird als „Syndrom“ aus sehr unterschiedlichen Ideologien der Ungleichwertigkeit beschrieben, die von Rassismus über Fremdenfeindlichkeit bis hin zu Homophobie und „Abwertung von Behinderten“ reicht. Zu den Aussagen, mit denen die „Einstellung“ zu Rassismus gemessen wird, gehört etwa folgende: „Die Weißen sind zu Recht führend in der Welt“. In dieser Aussage wird allerdings vorausgesetzt und selbstverständlich erklärt, dass „die Weißen“ existieren, ebenso wie an anderen Stellen im GMF-Fragebogen vorausgesetzt wird, dass es „Ausländer“ oder „Muslime“ gibt. Das kann aber nicht vorausgesetzt werden, sondern es geht um den spezifischen Vorgang, in dem solche Herkunftsgruppen produziert werden. 

Was ist Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit?

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, kurz GMF, ist ein sozialwissenschaftlicher Begriff, der abwertende und ablehnende Einstellungen gegenüber Personen oder Personengruppen zusammenfasst. 

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Rassifizierung

Das mag möglicherweise absonderlich wirken, denn der Einwand des „gesunden Menschenverstandes“ würde lauten: Gruppen von Menschen unterscheiden sich eben! Es gibt in unterschiedlichen Ländern doch ganz verschiedene Arten miteinander umzugehen, es gibt kulturelle Unterschiede und die Religion sorgt doch auch für diverse Verhaltensweisen. Tatsächlich behauptet auch niemand, es würde keine Differenzen geben.

Wenn wir über Rassismus sprechen, dann stellt sich aber die Frage: Warum spielen bestimmte Merkmale wie Hautfarbe überhaupt so eine große Rolle, und befinden sich die Differenzen dort, wo „wir“ sie zu sehen glauben?


Wir konstruieren Gruppen
Das Diktum des ehemaligen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger (1844–1910), er bestimme, wer Jude sei, beschreibt den rassistischen Konstruktionsprozess durchaus angemessen. Mittlerweile ist klar belegt, dass der Begriff „Rasse“ keinen wissenschaftlichen Wert hat, so wie es umgekehrt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür gibt, dass die ethnische Herkunft einer Person direkte Auswirkungen auf deren Verhalten hat.

Wird also von „den Muslimen“ gesprochen, so ist nur scheinbar klar, wovon die Rede ist. Tatsächlich wird diese Gruppe dabei geradezu erfunden: Darunter fallen Gläubige teilweise nahezu unvereinbarer Richtungen und sehr unterschiedlicher Herkunft; gewöhnlich sind sogar alle Personen türkischer oder arabischer Herkunft gemeint, ob sie nun religiös sind oder nicht. Tatsächlich gibt es letztlich gar keinen Grund dafür, dass Haut- oder Haarfarbe, ein bestimmtes Aussehen oder bestimmte kulturelle Accessoirs überhaupt eine Bedeutung bekommen – wir könnten die Zusammensetzung von Menschen nach ganz anderen Kriterien beschreiben. 


Rassifizierung
Ein definitorisches Kriterium des Rassismus ist also ein Vorgang, den ich als „Rassifizierung“ bezeichnet habe (Terkessidis 1998: 74 ff.). Im Prozess dieser Rassifizierung wird einerseits mittels bestimmter Merkmale eine Gruppe von Menschen als natürliche Gruppe festgelegt, und gleichzeitig wird die Natur dieser Gruppe im Verhältnis zur eigenen Gruppe formuliert. Die betreffenden Merkmale können ganz unterschiedlicher Art sein. Die französische Soziologin Colette Guillaumin spricht von einem „Bündel von Konnotationen“, in das Elemente von äußerst heterogener Art eingehen können: 

  • morpho-physiologische Kennzeichen (diese können sichtbar oder unsichtbar sein, sie gelten als natürlich/evident und als geeignet, Gruppen zu unterscheiden); 
  • soziologische Kennzeichen (Sprachen, Wirtschaftssysteme, Gewohnheiten, Ernährung, Kleidung, Musik usw.); 
  • symbolische und geistige Kennzeichen (politische Praktiken, Einstellungen, Lebensauffassungen, kulturelle und religiöse Verhaltensweisen etc.) sowie 
  • imaginäre Kennzeichen (etwa phantasmatische Vorstellungen von okkulter Macht). 

„Die Gesamtheit dieser Merkmale“, schreibt Guillaumin (1991: 167), „verschmilzt zu einem Ensemble, das sich als synkretistisch definieren lässt“. 
 

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Rassistisches Wissen

Die widerkehrenden Zuschreibungen sind rassistisches Wissen
Der Prozess der Festlegung einer Gruppe als natürliche Gruppe geht zugleich mit Zuschreibungen über die Natur dieser Gruppe einher. Diese Zuschreibungen sind inhaltlich sowohl erstaunlich konstant als auch über die Zeit variabel.

Ich möchte ein Beispiel aus dem Jahre 1525 zitieren, eine Aussage des Dominikanermönches Tomas Ortiz. Er berichtet über die Indigenen in von Spanien eroberten Gebieten Amerikas: „Sie sind mehr als irgendein anderes Volk unzüchtig. Gerechtigkeit gibt es bei ihnen nicht. Sie gehen ganz nackt, haben keine Achtung vor wahrer Liebe und Jungfräulichkeit und sind dumm und leichtfertig. Wahrheitsliebe kennen sie nicht, außer wenn sie ihnen selbst nützt. Sie sind unbeständig, glauben nicht an die Vorsehung, sind undankbar und umstürzlerisch. [...] Sie sind gewalttätig, und verschlimmern dadurch noch die ihnen angeborenen Fehler“ (zit. nach Todorov 1985: 182).

Kaum jemand würde heute noch so reden. Doch wenn ich die Bemerkungen von Ortiz auf ihre Essenz reduziere und etwas aktueller formuliere, dann klingt das in etwa so: „Sie“ kleiden sich auf eine Weise, die unseren Ordnungsvorstellungen widerspricht; sie verstoßen gegen unseren Glauben und unsere Moralkodizes, es mangelt ihnen (genetisch) an Intelligenz und Beständigkeit, sie stören die Ordnung und machen ständig Ärger. Das wirkt plötzlich bekannt. Unschwer lassen sich Vorstellungen erkennen, die auch heutzutage verbreitet sind – etwa über „Ausländer“, Geflüchtete oder über „die Muslime“. 


Mehr als „nur" Vorurteile
Angesichts der Geschichte des Rassismus, auf deren Ursprünge ich später noch zurückkommen werde, macht es keinen Sinn, von „Vorurteilen“ zu sprechen, also von Irrtümern über die Welt. Angesichts der Tatsache, dass „Rasse“ bis ins mittlere 20. Jahrhundert als kaum bezweifeltes wissenschaftliches Konzept galt, und auch angesichts der Ubiquität der angeblichen Vorurteile ist es angemessener, von „rassistischem Wissen“ zu sprechen (Terkessidis 1998: 83 ff.).

Diese Wissensbestände haben mannigfaltige Auswirkungen im Alltag, die vor allem von jenen Personen als verletzend wahrgenommen werden, deren Zugehörigkeit unbestreitbar scheint, weil sie zwar eine andere Herkunft haben, aber in Deutschland geboren wurden (ebenso wie teilweise ihre Eltern und sogar Großeltern). Insofern ist entgegen der herrschenden Vorstellung die Differenz keineswegs von Anfang präsent. Oft genug wird diesen Personen erst in einer Art „Urszene“ klar, dass sie als nicht-zugehörig betrachtet werden: Das kann eine Beschimpfung sein, das Erlebnis einer Ungleichbehandlung oder die Konfrontation mit Klischees aller Art – im oben genannten Hashtag „#MeTwo“ wurden sehr viele Beispiele aus schulischem Kontext berichtet. 

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Mechanismen der Ab- und Ausgrenzung

Die Kraft der Ausgrenzung besteht nun in der alltäglichen Wiederholung manchmal anscheinend unbedeutenden Erlebnisse. So wird Personen mit Migrationshintergrund häufig vor Augen geführt, dass sie eigentlich woanders zuhause sind.

  • „Wo kommst du her?"
    Das äußert sich in oftmals nur angeblich neugierigen Fragen wie „Woher kommst Du?“, wobei die Nennung eines fremden Landes erwartet wird.
     
  • „Du heißt ja interessant."
    Auch Vor- und Nachnamen sind ein stetiger Anlass zum „fremdeln“ – die Namen werden als „zu kompliziert“ erachtet (auch wenn sie es objektiv gar nicht sind) und erstaunlich konsequent falsch ausgesprochen oder geschrieben.
     
  • „Du sprichst ja gut Deutsch."
    Zudem wird oft davon ausgegangen, dass Personen mit Migrationshintergrund oder BPoC eine andere Muttersprache haben. Obzwar deutsche Muttersprachler, werden sie vielfach in ihrer angeblichen „Heimatsprache“ oder in Englisch angesprochen. Oder es wird ihnen bescheinigt, dass man einen kleinen Akzent aber noch hören würde – oft von Personen, deren Bildungsgrad weit niedriger ist. 


Verweisung
Ich habe im Rahmen einer qualitativen Untersuchung versucht, diese Ausgrenzungsmechanismen mit Bezeichnungen zu versehen – die beschriebenen Erlebnisse, die eine Person an einen anderen Ort schicken, fasse ich unter dem Begriff Verweisung zusammen (Terkessidis 2004). Die genannten Beispiele mögen harmlos erscheinen, doch sie stehen in einer Kontinuität mit abwertenden Bemerkungen wie „Ich weiß ja nicht, wie das bei ihnen zuhause gemacht wird, aber hier bei uns ...“ oder auch mit Angriffen wie „Geh zurück dahin, wo du hergekommen bist“ oder eben auch mit tätlichen Angriffen, die eine Vertreibung anstreben. Damit das nicht missverstanden wird:

Selbstverständlich sind Fragen und Gewalttätigkeiten nicht das Gleiche, doch die Voraussetzung ist es schon: Jemand gehört nicht „hierher“, sondern eigentlich „woanders“ hin.


Entantwortung
Diese Unterstellung ist zumeist mit weiteren Zuschreibungen über die Natur dieses „Woanders“ verbunden. Klischees – mögen sie nun negativ (faul, traditionell, aufbrausend, kriminell, fundamentalistisch usw.) oder positiv (spontan, feurig, gefühlvoll usw.) sein – haben zweifellos Auswirkungen auf die Kommunikation. Tatsächlich wird oft genug gar nicht mit den betreffenden Personen gesprochen, sondern sie werden als Repräsentanten einer Herkunftsgruppe adressiert.

In diesem Moment findet etwas statt, das ich Entantwortung nenne. Was eine Person sagt oder tut, wird nicht mehr als individueller Ausdruck gewertet, sondern als Ausfluss des „Afrikanischen“ oder des „Südländischen“, und so wird sie ihrer Verantwortung (für ihr Sprechen und Handeln) beraubt, denn es ist ja das „Afrikanische“ oder das „Südländische“, das dieses Sprechen und Handeln zu bedingen scheint. Zugleich wird ihr damit auch die Möglichkeit einer Antwort verwehrt: All ihre Äußerungen sind ja schon vorbestimmt durch die Gruppenzugehörigkeit. 


Entgleichung
Eng mit diesem Vorgang hängt auch die Unterstellung von Defiziten zusammen – die Entgleichung. Hier wird den Personen mit Migrationshintergrund kommuniziert, dass sie einer bestimmten Norm nicht genügen, also nicht als gleich anerkannt werden. Freilich soll so auch der Vergleich verhindert werden, denn immer sind es die Einheimischen, die als Kontrolleure und Richter der Norm fungieren.

Ein Beispiel aus dem Bereich Schule mag diesen Prozess verdeutlichen. Gerade beim wohlmeinenden Lehrpersonal gelten Kinder und Jugendliche nichtdeutscher Herkunft oft als Repräsentanten ihres Heimatlandes. Sie müssen stets Rede und Antwort stehen, wenn es um ihre angeblichen Herkunftsregionen geht, wobei die geographischen Einheiten sehr unterschiedlich sein können – das Spektrum reicht von „Afrika“ bis „Kurdistan“. Freilich sind Schülerinnen und Schüler in der Schule, um etwas zu lernen, und daher ist es absurd, „Herkunftswissen“ vorauszusetzen.

So wird den Kindern und Jugendlichen letztlich bewiesen, dass sie ein Defizit haben in Bezug auf ihre Herkunft. Da sie gleichzeitig in ihrem sonstigen Leben oft genug auch nicht wirklich als Deutsche anerkannt werden, gibt es quasi unentwegt jemanden, der feststellt, dass die betreffenden Personen zu viel oder zu wenig „Deutsches“ oder „Anderes“ haben, wobei der Maßstab relativ beliebig festgelegt werden kann. Daraus ergibt sich bei vielen jungen Leuten nichtdeutscher Herkunft das höchst unangenehme Gefühl, ständig begutachtet zu werden, aber gleichzeitig nicht genau zu wissen, an welchen Kriterien sich die Beurteilungen eigentlich orientieren. 
 

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Wahrnehmungsprobleme in Deutschland

Die Diskussion in Deutschland beschränkt sich weiterhin sehr stark auf die Dimension dieser „Vorurteile“, die materielle und strukturelle Seite wird kaum thematisiert.


Strukturelle Probleme am Beispiel Schule
Diese ist auch häufig schwieriger zu erkennen, dafür aber umso wirkmächtiger. Um ein aktuelles Beispiel zu nennen: In der TIMSS-Untersuchung 2019 („Trends in International Mathematics and Science Study“) wurde festgestellt, dass an deutschen Grundschulen der Lernunterschied in Mathematik und in den naturwissenschaftlichen Fächern zwischen armutsgefährdeten und anderen Kindern bei einem bis zwei Schuljahren liegt. Dazu muss man wissen, dass das Armutsrisiko bei Personen mit Migrationshintergrund signifikant höher liegt (etwa 27 %) als bei Personen deutscher Herkunft (etwa 13 %) – ein Erbe der „Unterschichtung“ in unqualifizierte Industriejobs im Prozess der Einwanderung ab den 1960er-Jahren. 

Nach der Veröffentlichung der Untersuchung wurde jedoch nicht etwa auf diese offensichtliche Disparität eingegangen, sondern die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und der Staatssekretär im Bildungsministerium lobten mit fast gleichem Wortlaut die Lehrerinnen und Lehrer, die trotz „einer heterogener werdenden Schülerschaft“ das Niveau aufrechterhalten konnten.


Erklärungsmuster der „Heterogenität“
Hier zeigt sich, wie die seit Jahren in jeder Untersuchung wiederkehrende strukturelle Schieflage zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund mit dem Verweis auf „Heterogenität“ erklärt und auch legitimiert wird. Da die Aussagen über „Heterogenität“ im Umkehrschluss bedeuten, dass es ansonsten keine Probleme mit dem „Niveau“ geben würde, machen die Aussagen der betreffenden Politikerinnen und Politiker letztlich die nichtdeutschen Kinder und Jugendlichen für die strukturellen Probleme des Bildungssystems verantwortlich. Mit dem Verweis auf „Heterogenität“ müssen gar keine konkreten Eigenschaften mehr genannt werden – das rassistische Verhältnis kommt in diesem Aussagen gar nicht vor. Der „Apparat“ des Rassismus ist dennoch erstaunlich intakt. 

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Hintergründe

Was kein Rassismus ist


Ich möchte hier betonen, dass diese alltäglichen Grenzziehungen auf einem „rassistischen Wissen“ basieren, in dem Gruppen als natürliche Gruppen festgelegt werden und zugleich die Natur eine Gruppe formuliert wird. Diese Grenzziehung anhand bestimmter Merkmale stellt selbst das Problem dar, nicht nur die abwertende Qualität des Wissens. Tatsächlich müssen Zuschreibungen keineswegs immer eine abwertende Komponente haben. Wenn jemand äußert, dass „Südländerinnen“ im Gegensatz zu Deutschen so herrlich warm und gastfreundlich seien oder dass schwarze Männer attraktiver und zumal potenter seien als solche mit weißer Hautfarbe, dann sind solche Bemerkungen nicht abwertend im eigentlichen Sinne, aber sie erfüllen dennoch sämtliche Kriterien von „rassistischem Wissen“. Allerdings sei hier auch erwähnt, dass Personen selten ausschließlich Opfer von „rassistischem Wissen“ werden, sondern auf vielfältige Weise ebenfalls in solche Wissensbestände verwickelt sind, was Auffassungen über die vermeintlich „eigene“ Gruppe betrifft, aber auch was ihr Wissen über wiederum andere Gruppen in der Gesellschaft betrifft. Personen mit Migrationshintergrund können problematische Wissensbestände über Juden, Sinti und Roma äußern, Juden solche über „die Muslime“. 

Nun ist im Zusammenhang mit Rassismus des Öfteren geäußert worden, dass es ja auch so etwas geben würde wie „Deutschenfeindlichkeit“, dass also Personen deutscher Herkunft Erfahrungen von Ausgrenzung oder Abwertung machen könnten – zumal etwa in einem Umfeld wie der Schule, in dem Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund unterdessen häufig die Mehrheit darstellten. Tatsächlich soll die Realität solcher Erfahrungen gar nicht in Abrede gestellt werden. Ebenso können auch Personen, die in Nordrhein-Westfalen geboren wurden, in Bayern schlechte Erfahrungen machen, Deutsche in Österreich, Franzosen oder US-Amerikanerinnen in Deutschland. Allerdings trifft für solche Ergebnisse der Begriff Rassismus nicht zu. Tatsächlich ist die Art der Wissensbestände ähnlich, aber es fehlt ein anderes wesentliches Element, das definitorisch zu Rassismus gehört, nämlich eine materielle und systematische Qualität der Ausgrenzung. Der britische Soziologe Robert Miles hat diese Qualität als „Ausgrenzungspraxis“ charakterisiert. Es geht also um systematische Praxen, „in denen eine näher bezeichnete Gruppe bei der Zuteilung von Ressourcen und Dienstleistungen nachweislich ungleich behandelt wird, oder in denen sie in der Hierarchie der Klassenverhältnisse systematisch über- oder unterrepräsentiert ist“ (Miles 1991: 103). Um von Rassismus sprechen zu können, müssen Ausgrenzungspraxis und Rassifizierung zusammenkommen – ansonsten besitzt der Begriff keinerlei Trennschärfe. 
 

Wissen und Ausgrenzungspraxen

Wir wissen aus der Wissenssoziologie, dass gesellschaftlich verbreitete Wissensbestände einen institutionellen Gegenpart haben, dass solches Wissen eine Funktion, gewissermaßen einen Nutzen hat – ansonsten wäre die Verbreitung kaum zu erklären. In Bezug auf rassistisches Wissen wird nun häufig darauf hingewiesen, „Vorurteile“ habe es ja schon immer gegeben und Kategorisierung und Stereotypisierung seien letztlich anthropologische Gegebenheiten. Tatsächlich handelt es sich um psychische Konstanten, aber die Frage bleibt, warum bestimmte Merkmale für die Kategorisierung relevant werden und warum bestimmte Personen zu Gruppen zusammengefasst und Aussagen über deren Natur getroffen werden. Es sind die ursprünglichen Ausgrenzungspraxen, die Ab- und Ausgrenzungen etablieren – das Wissen über die Differenz kommt erst danach. 

Dieser Zusammenhang wurde über Jahrhunderte von den unterschiedlichsten Denkern thematisiert. So schrieb der Philosoph Moses Mendelssohn 1782 über die jüdische Bevölkerung: „Man bindet uns die Hände und macht uns zum Vorwurfe, daß wir sie nicht gebrauchen“ (Mendelsohn 1782: XI). In einer kürzlich erschienenen Geschichte rassistischer Ideen betont der US-Forscher Ibrahim X. Kendi, es sei ein „volkstümliches Märchen“, dass Unwissenheit und Hass die Ursache für diskriminatorische Praxen seien: „Die umgekehrte Logik kommt der Wahrheit näher: Ethnische Diskriminierung führte zu rassistischen Ideen, die Unwissenheit und Hass mit sich brachten. Ethnische Diskriminierung ? rassistische Ideen ? Unwissenheit/Hass: Das ist die kausale Verknüpfung, die der Geschichte der ethnischen Beziehungen in Amerika zugrunde liegt“ (Kendi 2017: 18).

Das hat mit traditioneller „Fremdheit“ nur sehr bedingt etwas zu tun. Die antiken Griechen nannten all jene „Barbaren“, deren Sprache sie nicht verstanden, also all jene, die außerhalb ihres Sprach- und Verständnisraums lebten. Der Begriff hatte zweifellos etwas Abwertendes, aber nur in dem Sinne, dass die Anderen quasi unverständliche Laute ausstießen. Mit dem modernen Rassismus, sagt der Sozialwissenschaftler Immanuel Wallerstein, sei ein vollkommen neues Beziehungsgeflecht in die Welt gekommen. Das Besondere an Rassismus zeige sich in einem paradox anmutenden Verhältnis: Rassismus schließe Menschen aus, indem es sie einbeziehe (Wallerstein 1995: 102). Dieses Verhältnis beginnt mit der „Entdeckung“ der sogenannten Neuen Welt durch Christoph Kolumbus vor über 500 Jahren und erweist sich seitdem als erstaunlich hartnäckig. Anstatt ein nebulöses Konzept wie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ zu verwenden, wäre es angebracht, Rassismus als eines der großen, strukturierenden Ungleichheitsverhältnisse anzuerkennen – ebenso wie soziale Ungleichheit und jene zwischen den Geschlechtern. 
 

Die rassistische „Urszene“


Es lohnt sich, einen genaueren Blick auf die rassistische „Urszene“zu werfen – die Landung der Spanier am Ufer der Insel Guanahani (Bahamas) im Jahr 1492. Bekanntlich war die kleine Flotte des Kolumbus auf der Suche nach einem Seeweg nach Ostasien – die Europäer fanden sich in ihren Handelsbeziehungen über Land zunehmend vom Osmanischen Reich blockiert. Als Kolumbus nun nach einer geradezu phantastisch anmutenden Fahrt ins Nichts des Atlantiks auf der Insel erstmals Menschen entdeckt, macht er in seinem „Bordbuch“ nur einen höchst prosaischen Vermerk. Kolumbus zeigte gar kein Interesse an einem Dialog mit den Personen, sein Ziel war die schiere Besitzergreifung. Im Vertrag von Santa Fe hatte er sich von der Krone das Recht zusichern lassen, ein Zehntel einbehalten zu dürfen „von allen Perlen, Edelsteinen, Gold, Silber, Spezereien sowie allen anderen Kauf- und Handelswaren, die in seinem Bereich gefunden, gebrochen, gehandelt oder gewonnen werden“ (Terkessidis 2019: 24). Die „Entdecker“ und die Eroberer waren keine Aristokraten, die mit Ehren und Titeln belohnt wurden, sie begehrten materielle Güter, Land, Anteile, Geld. 

Gerade angekommen, fährt Kolumbus mit einem bewaffneten Boot an Land und entfaltet dort die königliche Flagge. Dann ruft er seine Begleiter zusammen, damit sie die Besitzergreifung bezeugen können, die mit einer urkundlichen Unterschrift besiegelt wird. Derweil haben sich Menschen, die auf der Insel wohnen, um das Spektakel versammelt. Sie sehen die Fahne der katholischen Könige, sie hören die unverständliche Verlesung der Urkunde, die eine seltsame Form von Einbeziehung verkündet. Das Ziel der Besitzergreifung ist angeblich die „Rettung“ jener Menschen durch ihre Bekehrung zu „unserem Heiligen Glauben“. Er verschenkt „rote Kappen und Halsketten aus Glas und noch andere Kleinigkeiten von geringem Wert“ (a. a. O.: 25). Die Freude der Anwesenden über die friedliche Geste zeigt ihm ihre kindliche Unbedarftheit und die eigene Überlegenheit. 

Der Akt der Besitznahme wurde ab 1513 mit einem festgelegten Text, dem Requerimento durchgeführt, welches von einem königlichen Beamten verlesen werden musste. Eigentlich sollte es übersetzt werden, aber es ist davon auszugehen, dass das in den seltensten Fällen geschah. In den ersten Zeilen wurden die Einheimischen mit freundlichen Worten dazu aufgefordert, zum christlichen Glauben überzuwechseln. Im Falle der Zustimmung konnten sie freie Untertanen der kastilischen Krone werden. Wenn sie sich aber nicht äußerten, was aufgrund der Sprachbarriere wahrscheinlich erschien, gab es für die Konquistadoren keine Grenzen mehr: Nicht nur das Eindringen mit Gewalt und die Unterwerfung waren dann legitim, sondern die Versklavung und die Plünderung und das Antun von jedem Schaden und Bösen. Der Text besagte, die Menschen hätten diese Behandlung selbst über sich gebracht, so dass „die Tötungen und Schäden, die sich daraus ergeben werden, zu euren Schulden gehen und nicht zu denen seiner Hoheit“ (a. a. O.: 25). 

Diese Urszene der Begegnung mit den überseeischen Anderen verdeutlicht, wie Rassismus funktioniert: Ein Dialog soll gar nicht stattfinden. Während noch Geschenke verteilt werden und die „Entdecker“ Süßholz raspeln, verwandeln sich die Ansässigen im besten Fall in Untertanen der Krone, in unreife, falschgläubige Untertanen, die eigentlich noch zu Untertanen gemacht werden müssen. Im schlimmsten Fall sind sie einfach Aussätzige, jedwede Grausamkeit der neuen Herren ihnen gegenüber erscheint per se gerechtfertigt. Als sich die Bevölkerung von Amerika durch Gewalt und Krankheiten schließlich dramatisch reduziert, begannen die Spanier schwarze Sklaven aus Westafrika zu „importieren“ und begründen das, was der Historiker Immanuel Geiss als „erste moderne Rassen-Kasten-Gesellschaft“ bezeichnet (Geiss 1988: 121). Tatsächlich ist es die neue soziale Barriere, die der Hautfarbe Bedeutung verleiht. Erst die Etablierung einer Gesellschaft, in der Weiße herrschten und Schwarze als Sklaven arbeiten mussten, sorgte dafür, dass die Hautfarbe zum definitiven Kriterium der Unterscheidung wurde. Sicher hatten Personen zuvor unterschiedliches Aussehen zur Kenntnis genommen, aber es gab weder die Idee, die Pigmentierung der Haut würde eine Verbindung zwischen Menschen schaffen, noch die Idee, die Rollen in der Gesellschaft würden entlang dieser Pigmentierung verteilt werden. 
 

Legitimation und Erklärung

Das Wissen über die Anderen, das „rassistische Wissen“ folgte der Praxis nach. Ein Element der Moderne ist – zumal mit zunehmender Demokratisierung im Westen –, dass die Verhältnisse nicht mehr als selbstverständlich hingenommen wurden, sondern begründet werden mussten. Die Eroberungen und die Sklaverei trafen nicht nur auf erheblichen Widerstand, sondern auch auf die vehemente Kritik von Spaniern selbst. So diente das Wissen dazu, den Unterschied zu legitimieren, aber auch zu erklären. Die Eroberer fanden, sie erfanden Gründe, warum sie die Anderen unterdrücken mussten, und diese Gründe lagen eben in der „Natur“ derer, denen man Gewalt antat. Wir mussten „sie“ fesseln, weil sie so wild waren oder weil sie wie Kinder waren oder weil sie nicht tätig sein wollten. „Sie“ können nicht alleine für sich sorgen, wir müssen bis zu ihrer Reife über sie wachen und sie dabei auch zur Arbeit (auf unseren Plantagen) zwingen. Die Errungenschaften des Westens sind ein Januskopf: Auf der einen Seite entwickeln sich Fortschritt, Wohlstand, Freiheit und Demokratie, während auf der anderen Unterdrückung, Ausbeutung und Ausgrenzung zu Buche stehen. Rassismus lässt sich als „Apparat“ verstehen, in dem die Praxis der Unterdrückung mit einer Wissensbildung einhergeht, welche die Unterdrückung legitimiert und erklärt. 

Historisch gesehen ist die Geschichte des Rassismus, was die Praxen als auch was die Wissensbildung betrifft, sowohl konstant als auch äußerst variabel. Der Ausschluss durch Einbeziehung verändert sich über die Jahrhunderte: Auf die Sklaverei folgen der Kolonialismus und die Migration. Die Verhältnisse unterscheiden sich allerdings stark, je nachdem um welchen Kolonialismus es geht, um den englischen etwa oder um den deutschen, und auch danach, welche Territorien und Bevölkerungen betroffen waren. Zweifellos hat sich das strukturelle Element der Gewalt nach dem Ende des Kolonialismus historisch sehr abgeschwächt. Doch ein Blick auf die Migrationsgesellschaft zeigt, dass die Migration durch globale Ungleichgewichte mitbedingt wird und diese Gesellschaft von mannigfaltigen Ausgrenzungspraxen durchzogen bleibt: Wirtschaftliche Benachteiligung, Diskriminierung bei Arbeits- und Wohnungssuche, rechtliche Ungleichstellung, Zurücksetzung durch hegemoniale Kulturvorstellungen bilden die – durchaus komplizierte – materielle Grundlage der in der Gesellschaft herrschenden „Vorurteile“. 
 

Quellen


Geiss, Immanuel (1988): Geschichte des Rassismus, Frankfurt/M. 
Guillaumin, Colette (1991): RASSE. Das Wort und die Vorstellung, in: Ulrich Bielefeld (Hrsg.): Das Eigene und das Fremde – Neuer Rassismus in der alten Welt?, Hamburg. 
Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.) (2005): Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Die theoretische Konzeption und empirische Ergebnisse aus 2002, 2003 und 2004, in: Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 3, Frankfurt/M., S. 13–34. 
Kendi, Ibram X. (2017): Gebrandmarkt. Die wahre Geschichte des Rassismus in Amerika, München. 
Mendelssohn, Moses (1782): Vorrede: in: Manasseh Ben Israel: Rettung der Juden. Aus dem Englischen übersetzt nebst einer Vorrede von Moses Mendelssohn, Berlin/Stettin, S. XI. 
Robert Miles (1991): Rassismus, Hamburg. 
Terkessidis, Mark (1998): Psychologie des Rassismus, Wiesbaden. 
Terkessidis, Mark (2004): Die Banalität des Rassismus. Migranten zweiter Generation entwickeln eine neue Perspektive, Bielefeld. 
Terkessidis, Mark (2019): Wessen Erinnerung zählt? Koloniale Vergangenheit und Rassismus heute, Hamburg. 
Todorov, Tzvetan (1985): Die Eroberung Amerikas. Das Problem des Anderen, Frankfurt/M. 
Wallerstein, Immanuel (1995): Die Sozialwissenschaft „kaputtdenken“, Weinheim. 
 

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